Was ist eigentlich EDEN und wer trifft sich bei der jährlichen Konferenz? Was war dieses Jahr das Besondere?
EDEN ist das größte europäische Netzwerk zum Thema Bildungstechnologien und Transformation von Bildungsinstitutionen durch den digitalen Wandel unserer Gesellschaften und dabei vor allem im Hochschulbereich, aber auch im Schulbereich aktiv. Das Spannende an diesem Netzwerk, oder, wie wir alle dazu sagen, der „EDEN Family“, ist, dass es eine große globale Gemeinschaft ist, die sich regelmäßig in unterschiedlichen Formaten trifft, ein- bis zweimal oder manchmal auf dreimal im Jahr. Sie ist dabei wissenschaftlich orientiert, aber formuliert auch Empfehlungen für Institutionen und deren Strategien, und bietet die Möglichkeit zum Austausch für Praktiker*innen, Lehrer*innen, Professor*innen, Dozierende – und bietet auch für Studierende und Promovierende eigene Formate und eine eigene Community. EDEN hat ebenfalls ein sogenanntes Network of Professionals, in dem sich über 500 Personen aus Europa und aus vielen anderen internationalen Ländern zusammengeschlossen haben, um regelmäßig darüber zu diskutieren, was gute Möglichkeiten im Bereich der Lehre, des Prüfens und solcher Themen wie beispielsweise offene Bildungsressourcen in Organisationen sind und wie Institutionen sich den neuen Themen der Flexibilisierung, der Personalisierung, der Individualisierung von Lernen und Lehren in diesen Institutionen und lebenslang darüber hinaus öffnen können.
EDEN ist eigentlich eine große Familie, die sich über Jahrzehnte hinweg entwickelt hat und mittlerweile seit 30 Jahren existiert und die starke europäische Community zum Thema Learning Technology und neue innovative Bildungsformate geworden ist. Ich selber habe zu EDEN eine ganz besondere Verbindung, weil ich gleich zu Beginn meiner wissenschaftlichen Karriere einen wichtigen Preis für meine Dissertation bekommen habe, der mir damals viele Türen geöffnet und viel Sichtbarkeit und viele Möglichkeiten beschert hat, mein Thema weiterzuentwickeln und zu präsentieren. In den letzten 20 Jahren habe ich fast jede EDEN-Jahreskonferenz besucht und dabei mit den verschiedenen Arbeitsgruppen, mit denen ich gearbeitet habe, immer mindestens ein Paper dort eingereicht. Auch als NextEducation-Arbeitsgruppe haben wir in den letzten sechs Jahren immer mehrere Papers eingereicht, waren damit sehr prominent vertreten und haben die Diskussionen mitgeprägt.
Du warst fürs DIRK-Team vor Ort und hast unser Konzept vorgestellt, um Reflexionsprozesse im dualen Studium kontinuierlich anzustoßen und zur Entwicklung von Future Skills von Studierenden zu nutzen. Kannst du uns kurz erzählen, was die wichtigsten Punkte deines Vortrages waren, die auch für andere Hochschulen wichtig sind?
Zwei Aspekte standen bei meinem Input im Vordergrund, die auf großes Interesse gestoßen sind. Der erste Aspekt ist das Thema Future Skills und die Frage, wie man überhaupt Future Skills für den Hochschulbereich fassen, beschreiben, begreifbar machen und so formulieren kann, dass man sie als Inhalt im Hochschulstudium konkret erlernen kann – dafür ist unser NextSkills-Modell mit den 17 Future Skills-Profilen besonders gut geeignet. Einerseits beschreiben wir keine konkreten Future Skills, sondern Future Skills-Profile. Damit bieten wir ein Rahmenmodell, mit dem wir auch in Hochschulstudiengängen helfen können, Profile zu entwickeln. Andererseits sind die 17 Future Skills-Profile aber so konkret beschrieben, dass sie ermöglichen, dass Hochschulinstitutionen und Studienprogramme sich ganz konkret Profile aussuchen und damit arbeiten. Auch die von uns entwickelten Materialien haben dabei großen Anklang gefunden. Wir werden die Materialien auch ins Englische übersetzen und so die Möglichkeit haben, die Materialien von der EDEN Family und den damit verbundenen über 500 Hochschulinstitutionen nutzen zu lassen.
Weiterhin stand das DIRK Dual-Projekt auch unter einem zweiten Aspekt im Fokus, und zwar mit der Frage, wie man eigentlich ganz konkret Future Skills in einem Hochschulprogramm verankern kann. Mit DIRK Dual haben wir dafür einen sehr weitgehenden Ansatz, der drei Innovationen in das duale Studium einbringen soll: Die erste Innovation ist eine technologische, die zweite eine didaktische und die dritte eine Studienprofil-Innovation. Die technologische Innovation ist dabei die Einführung eines digitalen Reflexionsportfolios, in welchem die Studierenden systematisch vier- bis sechsmal im Jahr einen Reflexionseintrag vornehmen und dabei einen Reflexionsprozess durchführen, der zu konkreten Artefakten führt, zu denen von Peers Feedback eingeholt wird. In der didaktischen Innovation geht es darum, vom Theorie- und Praxiskonzept unserer dualen Hochschule zu einem sehr integrierten Studieren zu kommen – denn wir regen die Studierenden an, Erfahrungen aus der Praxis in einem geleiteten Verfahren zu reflektieren und sie dadurch akademisch bearbeitbar und erlernbar zu machen. Dadurch werden sie zu reflektieren angeregt, wie und welche Kompetenzen sie durch diese Praxiserfahrungen entwickeln. Weiterhin zielt unser Konzept darauf ab, dass Studierende nicht nur Praxiserfahrungen allgemeiner Art reflektieren, sondern die gemachten Erfahrungen eben ganz spezifisch auf Future Skills beziehen und dahingehend analysieren können. Wir nennen das Studienprofil-Innovation, da sich dadurch Studiengangsprofile oder Studienprofile an der DHBW in Richtung Future Skills weiterentwickeln lassen.
Wie waren die Reaktionen und die anschließenden Diskussionen? Was hat dich überrascht? Was nimmst du aus den Diskussionen in diesem internationalen Rahmen für unsere Arbeit an der DHBW mit?
Die konkreten Lernmaterialien und Überlegungen, wie Future Skills in einen Studiengang eingebaut werden können, stoßen immer auf besonders großes Interesse, da die Institutionen sich zwar einig sind, dass Future Skills wichtig sind – man kann in ganz Europa eine generelle Zuwendung zu diesem Thema beobachten – aber noch nicht so viel Wissen und Erfahrungen über die konkrete Umsetzung vorliegen. Überrascht hat mich, dass die eigentlich zugrundeliegende Thematik ja mit einer Stärkung von innovativen, teilnehmerorientierten, studierendenzentrierten Lernformen zu tun hat, wie beispielsweise dem problemorientierten, forschenden oder szenariobasierten Lernen, was eigentlich schon länger diskutiert wird, aber all das unter dem Label Future Skills nochmal ganz neu zum Leben erwacht. Überraschen tut mich das, weil ich denke: Eigentlich diskutieren wir die Pädagogik, die wir benötigen, um Future Skills-orientiertes Lernen zu unterstützen, schon sehr lange, aber jetzt scheint die Situation erreicht, dass wir endlich auch konkrete Bildungsziele formulieren können, auf die sich dann beispielsweise das forschende Lernen und andere pädagogische Ansätze hin ausrichten können.
Darüber hinaus haben wir den Kontakt zu unseren Kolleg*innen der Open University Catalonia (UOC) wiederbelebt, konkret mit einer Arbeitsgruppe zum Thema Bildungs-, Hochschul- und Lerninnovationen rund um Professor Albert Sangrà, der ein guter Kollege und langjähriger Freund von mir ist und mit dem ich schon seit über 20 Jahren Projekte, Veröffentlichungen, Vorträge, Konferenzen, Workshops mache. Für die Open University, eine Fernuniversität, hat er ein Konzept entwickelt, das Studierende dabei unterstützt, ihre gemachten Berufserfahrungen im Rahmen des Studiums zu reflektieren und ein Portfolio aufzubauen, in dem sie ihre Employability Skills zeigen können. Das ist natürlich spannend, da viele Studierende, insbesondere wenn sie berufsbegleitend studieren, zahlreiche professionelle Fähigkeiten entwickelt haben, diese aber nicht immer klar benennen und nach außen hin präsentieren können, sei es im Rahmen des Arbeitsmarktes oder des zivilgesellschaftlichen Engagements. Hier bieten sich für uns mit DIRK Dual spannende Diskussions- und Anknüpfungspunkte.
Leiter der Forschungsgruppe und Professur für Bildungsmanagement und Lebenslanges Lernen