Das Konzept der Future Skills nimmt im Diskurs zur Zukunft der Hochschulbildung einen zunehmend zentralen Platz ein. Seit 2019 haben wir einen fundierten Forschungsstrang etabliert, der die vielfältigen Facetten dieses Konzepts untersucht und zur Präzisierung und Weiterentwicklung im Hochschulkontext beiträgt. Unsere Arbeiten umfassen grundlegende bildungstheoretische Erörterungen ebenso wie praxisorientierte hochschuldidaktische Ansätze, Curricula und Prüfungsformate, die auf die Anforderungen flexibler, interdisziplinärer und interessengeleiteter Studienstrukturen eingehen. Damit unterstützen wir die Hochschulentwicklung dabei, sich auf einer soliden theoretischen Basis auf die digitale Transformation und die Förderung kritisch-reflexiver, gesellschaftlich verantwortlicher Bildung auszurichten.
Die Arbeit einer größer werdenden Gemeinschaft von Forschenden und PraktikerInnen trägt derzeit entscheidend dazu bei, Future Skills in den Hochschulkontext zu integrieren und das Thema weit über einzelne Lehrveranstaltungen hinaus strategisch zu verankern. Immer mehr Hochschulen greifen diese Konzepte auf, um Studienprozesse und Bildungsziele zeitgemäß zu gestalten.
In diesem Zusammenhang haben Marco Kalz und Gabi Reinmann kürzlich einige Kritikpunkte am Konzept der Future Skills formuliert (Kalz & Reinmann 2024, Link). Schon zuvor hatte Kalz (2023) das Future-Skills-Konzept in einem eigenen Beitrag kritisch beleuchtet, woraufhin ein Autor*innenkollektiv (Ehlers et al. 2024b, S. 351 ff. Link) Teile dieser Kritik aufgriff und diskutierte. Und: „Ja, endlich!“ – so könnte man aufatmen –, findet nun eine wissenschaftliche Debatte zu diesem Thema statt. In diesem Beitrag ordne ich ihre Kritik konstruktiv ein und zeige auf, wie sie im Diskurs um Future Skills zu verorten sind, wo sie zu kurz greifen und wo sie ihn bereichern. Ich sehe das als wichtigen Schritt, um das Konzept der Future Skills weiter wissenschaftlich zu schärfen und zu einer Reifung beizutragen, weshalb ich für diese kritische Auseinandersetzung ausdrücklich dankbar bin.
In der Auseinandersetzung mit den Ansichten von Kalz und Reinmann scheint es sinnvoll, auf eigene Arbeiten zurückzugreifen, in denen bildungstheoretische Grundlagen für Future Skills Konzepte erarbeitet werden. Da, wo Kritikpunkte sich auf bereits zuvor veröffentlichte eigene Arbeiten beziehen, führe ich diese - im Sinne eines transparenten Diskurses und zur Präzisierung der Positionen - daher an und ergänze sie an einigen Stellen mit Arbeiten von KollegInnen.
Um die kritischen Punkte systematisch zu beleuchten, wähle ich einen imaginären “Frage-Antwort-Stil”, der die genannten Argumente als Ausgangspunkt nimmt und ihnen gegenüber mögliche Gegenpositionen oder Reaktionen entfaltet, als “Antworten” benannt.
Ein zentraler Kritikpunkt betrifft den Begriff der "Future Skills" selbst. Auch in meinen eigenen Arbeiten habe ich bereits darauf hingewiesen, dass der Begriff missverständlich ist und – wie ich offen einräume – mitunter als "nervig" empfunden werden kann (ausführlich dazu: Ehlers 2020, S. VIIf). Dennoch nutze ich ihn weiter, da er, trotz seiner Schwächen, wertvolle Perspektiven eröffnet und sich aus verschiedenen Erwägungen als pragmatisch erwiesen hat – jedoch mit dem Bewusstsein, dass er einer präziseren Erläuterung bedarf. Kalz und Reinmann greifen die Unschärfe dieses Begriffs auf und hinterfragen dessen Abgrenzung zu Konzepten wie Schlüsselkompetenzen oder den 21st Century Skills. Sie weisen zurecht auf die bislang unzureichende definitorische Klarheit und die begrenzte Einbindung in den bestehenden Kompetenzdiskurs hin (Kalz & Reinmann 2024, S. 2).
Antwort #1
Die bestehende definitorische Vielfalt des Konzepts "Future Skills" ist in der Tat herausfordernd. Auch wenn verschiedene Definitionen legitim sind, fehlt es bislang an Transparenz bezüglich der divergierenden Perspektiven und Zielsetzungen. Der Begriff "Future Skills" ist ein Kunstwort, das – insbesondere aus bildungswissenschaftlicher Sicht – oft Missverständnisse provoziert und daher eine genaue Klärung erfordert. Dies war bereits die Motivation der NextSkills-Studie, das Thema 2020 erstmals bildungswissenschaftlich zu untersuchen (Ehlers 2020). Seither hat die zunehmende wissenschaftliche Auseinandersetzung zu einer schrittweisen Präzisierung des Begriffs geführt.
So definiere ich Future Skills als „Kompetenzen, die es Individuen erlauben, in hochemergenten Organisations- und Praxiskontexten selbstorganisiert handlungsfähig zu sein“ (Ehlers 2020, S. 57). Piesk & Dippelhofer (2024) verstehen Future Skills hingegen als die „Fähigkeit, wissenschaftlich-reflektiert und mündig unter den dynamischen Lebensbedingungen des 21. Jahrhunderts zu handeln.“ Beide Definitionen verankern Future Skills im handlungstheoretischen Verständnis von Kompetenz, das Wissen, Fertigkeiten und Werte integriert und sind als Beiträge zur definitorischen Schärfung des Konzepts zu verstehen.
Antwort #2
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die konkrete Benennung und Beschreibung der als „Future Skills“ bezeichneten Handlungskompetenzen. Hierzu existieren verschiedene Ansätze, die wir – insbesondere für den deutschsprachigen Raum – in Ehlers (2022) überblicksartig analysiert haben. Nicht allen Ansätzen liegt jedoch ein expliziter Bildungsbegriff oder ein theoretisch fundiertes Kompetenzverständnis zugrunde. Aus diesem Grund haben wir eigene Arbeiten entwickelt, die diesen Anforderungen gerecht werden und inzwischen breite Beachtung gefunden haben. Die ausführlichsten Darstellungen hierzu finden sich in Ehlers (2020) und Ehlers et al. (2024), wo Future Skills umfassend in Form sogenannter Kompetenzstrukturmodelle spezifiziert werden.
So hat die NextSkills-Studie durch die Entwicklung eines Kompetenzstrukturmodells mit 17 Future-Skills-Profilen zur Systematisierung und besseren Einordnung des Begriffs beigetragen (Ehlers 2020). Ebenso bietet die jüngste AIComp-Studie zu KI-bezogenen Future Skills eine weitere konzeptionelle Präzisierung. Sie identifiziert 12 Kompetenzfelder mit spezifischen KI-bezogenen Future Skills und integriert diese in ein umfassendes Kompetenzstrukturmodell (Ehlers et al. 2024a).
Ein Blick auf diese Arbeiten und die fortschreitende Forschung – darunter auch neuere Beiträge anderer Autoren, wie der jüngste Aufsatz von Ehlers et al. (2024b), der eine kritische Einordnung der Future-Skills-Debatte im Hochschulkontext vornimmt und verschiedene Modelle gegenüberstellt – verdeutlicht, dass die Kritik der Begriffsunschärfe zunehmend an Substanz verliert.
Kalz und Reinmann bemängeln, dass es dem Future-Skills-Konzept oft an einer soliden theoretischen Basis und ausreichender empirischer Fundierung mangele, was die Validität und Messbarkeit dieser Kompetenzen in Frage stelle (Kalz & Reinmann 2024, S. 3).
Antwort #1
Diese Kritik greift jedoch zu kurz, da neuere Studien und Publikationen gezielt bildungs- und kompetenztheoretische Fundamente für das Konzept der Future Skills herausarbeiten.
So dient die Handlungskompetenztheorie als zentraler theoretischer Rahmen für die Konzeption von Future Skills (Ehlers 2020). Die bereits erwähnte AIComp-Studie stützt sich zudem auf das Habituskonzept nach Bourdieu, um die Kompetenzentwicklung in handlungstheoretische Zusammenhänge einzubetten und zugleich zu erweitern (Ehlers et al. 2024a). Ehlers et al. (2024b) liefern zusätzlich eine fundierte Auseinandersetzung mit bildungs- und kompetenztheoretischen Grundlagen, die das Konzept der Future Skills untermauern.
Darüber hinaus legt der AIComp-Forschungsbericht zu KI-bezogenen Future Skills selbstsozialisationstheoretische Bezüge nahe, die das Konzept theoretisch weiter vertiefen (Ehlers et al. 2024a). Auch Piesk & Dippelhofer (2024) stützen sich auf bildungstheoretische Ansätze, u.a. auf Klafki und Humboldt.
Ein wesentlicher Aspekt in dieser Diskussion ist das Verhältnis von Kompetenz und Bildung und damit auch die Positionierung von Future Skills im Bildungskontext. In den genannten Arbeiten wird Kompetenz keineswegs mit Bildung gleichgesetzt, noch wird Kompetenz als alleiniges Ziel der Hochschulbildung propagiert. Die Debatte um Schlüsselkompetenzen zeigt, dass Bildung nicht nur aus Kompetenzen, sondern durch deren kritische Reflexion und Werteorientierung vollständig wird (Pasternack 2004, 2006). Pasternack sieht den Zweck von Schlüsselkompetenzen nicht nur in der Verknüpfung von Wissen und Können, sondern betont zusätzlich die Bedeutung wissenschaftlicher Urteilsfähigkeit, die den Einsatz von Kompetenzen an ethischen und gesellschaftlichen Maßstäben orientiert.
Auch Ehlers (2020, S. 141ff.) thematisiert in seinen bildungstheoretischen Überlegungen die Frage, ob es normativ sinnvoll ist, Future Skills als Bildungsziel zu formulieren, und klärt das Verhältnis von Bildung und Kompetenz. Er argumentiert, dass Future Skills, verankert im handlungskompetenztheoretischen Ansatz, nicht isoliert vom Fachwissen betrachtet werden können, sondern auf einem tiefen Verständnis und reflexiven Einsatz von Wissen basieren. Diese Forderung nach Reflexion und Urteilsfähigkeit verleiht der Future-Skills-Debatte eine zusätzliche theoretische Tiefe und adressiert die Notwendigkeit einer bildungstheoretischen Einbettung des Konzepts.
Antwort #2
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die oft fehlende oder nicht transparente methodische Grundlage bei der Konstruktion von Future-Skills-Ansätzen. Dies ist ein Punkt, in dem ich teilweise übereinstimme. Methodische Standards für Future-Skills-Ansätze entwickeln sich nach und nach und sind in einigen Arbeiten bereits konkretisiert.
Die NextSkills- und die AIComp-Studien verwenden empirische Methoden, um Future Skills zu identifizieren und zu definieren (Ehlers 2020; Ehlers et al., 2024a). Die AIComp-Studie geht hier einen innovativen Schritt, indem sie Future Skills erstmals quantitativ und auf Basis subjektiver Einschätzungen der Befragten rekonstruiert. Qualitative Interviews, ExpertInnenbefragungen, (internationale) Delphi-Studien und quantitative Erhebungen schaffen eine breit angelegte empirische Basis, die zur Validierung und Weiterentwicklung des Future-Skills-Konzepts beiträgt (Ehlers 2020; Ehlers et al. 2024a). Die Validität der in den genannten Arbeiten formulierten Future-Skills-Konzepte wird zudem transparent durch die Limitationen der empirischen Verfahren definiert.
Antwort #3
Ein häufig angesprochenes Problem ist die Messbarkeit von Future Skills, da diese als Handlungskompetenzen konzipiert sind. Diese Herausforderung haben wir an anderer Stelle bereits eingehend diskutiert (Ehlers 2020; Ehlers et al., 2024). Sie ist weniger konzeptionell bedingt, da kompetenzorientierte Prüfungsformate bereits vielfach etabliert sind, sondern stellt vor allem eine organisatorische Herausforderung für Hochschulen dar.
Ehlers (2020) plädiert für die Weiterentwicklung und Anpassung von Prüfungsformaten und zeigt explizit die Potenziale eines kompetenzorientierten Assessments auf. Auch Ehlers et al. (2022) argumentieren für alternative Prüfungsformate wie Projekte, Simulationen oder Portfolios. Diese ermöglichen den Studierenden eine kontinuierliche Selbsteinschätzung und Reflexion ihrer Entwicklung und dokumentieren die Kompetenzprogression im Sinne eines Assessment as Learning-Ansatzes. In diesem Paradigma liegt der Fokus nicht auf der herkömmlichen Messung, sondern auf der subjektiven und intersubjektiven Plausibilisierung der Kompetenzentwicklung und Fortschritte (siehe weiterführend Ehlers 2014 und Ehlers et al. 2022).
Kalz und Reinmann bemängeln, dass einige Future-Skills-Ansätze Fachwissen zugunsten überfachlicher Kompetenzen vernachlässigen (Kalz & Reinmann 2024, S. 4). Sie befürchten, dass der Fokus auf Future Skills zu einer Abwertung von disziplinärer Tiefe führen könnte.
Antwort
Diese Kritik findet in den referenzierten Arbeiten keine hinreichende Grundlage. Tatsächlich wird die Bedeutung des Fachwissens darin ausdrücklich hervorgehoben und detailliert diskutiert. Ehlers unterstreicht, dass Fachwissen eine essentielle Grundlage für Future Skills bildet und einen entscheidenden Bestandteil der Kompetenzentwicklung darstellt (Ehlers 2020, Ehlers et al. 2024b). Future Skills sind somit "im Wissen fundiert" und beinhalten Reflexion sowie kritische Urteilsfähigkeit, die auf fachspezifischem Wissen aufbauen (vgl. Ehlers 2020).
Die enge Verflechtung von Fachwissen und überfachlichen Kompetenzen ist ein zentraler Ansatzpunkt in der Future-Skills-Forschung. Kalz' (2023) Einwand zur „impliziten Abwertung von Wissen und unklaren Integration in die Förderung von Fachwissen“ trifft dabei nicht zu, da sich die Future Skills, wie im Konzept der kategorialen Bildung nach Klafki (1985, 2007) formuliert, ebenfalls auf "inhaltsbezogene" Fähigkeiten beziehen (siehe Piesk & Dippelhofer 2024, S. 34).
Piesk & Dippelhofer (2024) erläutern, dass gerade Reflexionskompetenz, die für das universitäre Studium grundlegend ist, fundiertes (Fach-)Wissen voraussetzt. Um im Rahmen wissenschaftlicher Argumentation Lösungen zu entwickeln oder Fragestellungen zu beantworten, bedarf es des tiefen Verständnisses fachspezifischer Zusammenhänge. Klafki (1985, S. 23) verdeutlicht dies, indem er erklärt, dass die Fähigkeit zur Reflexion verlangt, zwischen Ursachen und Folgen, Hypothesen und Beweisen sowie Voraussetzungen und Schlussfolgerungen zu unterscheiden. Piesk & Dippelhofer (ebenda) empfehlen daher, Future Skills fachintegriert und anhand spezifischer Problemstellungen sowie durch interdisziplinäre Fragestellungen zu fördern, damit Studierende gesellschaftliche Schlüsselprobleme auf Grundlage unterschiedlichen Fachwissens bearbeiten können.
Es sei positiv anerkannt, dass Kalz und Reinmann (2024) durch ihre Überlegungen zum Thema Lerntransfer wertvolle Impulse zur Weiterentwicklung des Future-Skills-Konzepts beisteuern. Dennoch bleibt das Konzept der Handlungskompetenz umfassender und berücksichtigt das Fachwissen als zentralen Bestandteil. Während Lerntransfer den Prozess beschreibt, in dem erworbenes Wissen oder bestimmte Fähigkeiten von einem Kontext in einen anderen übertragen werden, reicht das Konzept der Kompetenz weiter. Kompetenz umfasst nicht nur den Transfer von Wissen, sondern auch eine umfassende Disposition zum Handeln – die Fähigkeit und Bereitschaft, Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen in komplexen, nicht-standardisierten Situationen flexibel und kreativ anzuwenden, um Lösungen zu schaffen.
Lerntransfer ist somit ein Bestandteil der Kompetenzentwicklung, bleibt jedoch weniger umfassend, da er sich auf die Übertragung bereits erworbenen Wissens und Fertigkeiten in neue Anwendungsfelder beschränkt. Der Kompetenzbegriff, insbesondere im Sinne der Handlungskompetenz, geht darüber hinaus, indem er betont, dass erworbene Dispositionen auch in neuartigen oder unstrukturierten Kontexten aktiviert werden können.
Das Future-Skills-Konzept betont die Relevanz überfachlicher Kompetenzen, die Flexibilität und lebenslanges Lernen fördern sollen, jedoch ohne das Fachwissen zu verdrängen. Vielmehr integriert es Wissen, Werthaltungen und Fertigkeiten und schafft so eine ganzheitliche Grundlage für Kompetenzentwicklung und Bildungsprozesse.
Kalz kritisiert, dass das Future-Skills-Konzept eine neoliberale Agenda verfolge und Bildung auf Performanz und Verwertbarkeit reduziere (Kalz 2023, S. 5). Er bemängelt die einseitige Fokussierung auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und die Vernachlässigung eines humanistischen Bildungsverständnisses.
Antwort
Obwohl der Einfluss des Arbeitsmarktes auf die Future-Skills-Diskussion nicht zu leugnen ist (siehe hierzu die ausführliche kritische Reflexion in Ehlers et al. 2024a sowie die frühere Analyse des Employability-Konzepts in Ehlers 2020), greift die pauschale Kritik einer rein verwertungsorientierten, „neoliberalen“ Ausrichtung zu kurz. Sie ist zu undifferenziert und wird den vielfältigen Ausgestaltungen des noch jungen Konzepts nicht gerecht. Im Folgenden einige Beispiele:
Kalz und Reinmann übersehen im Diskurs um Future Skills, dass auch berufsbezogene Inhalte eine wesentliche Rolle in der Bildung spielen können. Piesk und Dippelhofer (2024, S. 24–25) führen dies unter Bezugnahme auf Klafkis Bildungstheorie aus und weisen in diesem Zusammenhang auf ein Spannungsfeld hin. Auf der einen Seite stehen die Erwartungen der Wirtschaft an eine berufsnahe Ausbildung, auf der anderen der Bildungsanspruch der Universitäten, die auf umfassende Bildung setzen und einseitige, rein zweckorientierte Qualifizierung ablehnen. Bildungstheoretische Ansätze seit Mitte des 20. Jahrhunderts zeigen jedoch, dass Employability und universitäre Bildung sich nicht zwangsläufig widersprechen müssen. Klafki (2007) argumentiert beispielsweise, dass eine umfassende Bildung neben beruflichen Fähigkeiten auch die Förderung kognitiver, sozialer und ethischer Kompetenzen einschließen sollte. Berufliche Fähigkeiten werden somit als ein möglicher Bestandteil von Bildung gesehen, neben der umfassenden Stärkung individueller Fähigkeiten, die ein selbstbestimmtes und reflektiertes Leben ermöglichen.
In diesem Zusammenhang hebt Klafki hervor, dass die Integration von „Berufsgrundbildung“ und „Berufswahlberatung“ Teil der Allgemeinbildung sein kann. Er schlägt eine „dialektische“ Sichtweise auf das Verhältnis von allgemeiner und beruflicher Bildung vor. Besonders in Zeiten, in denen sich die Anforderungen in Berufs- und Lebenswelten stark und schnell verändern (Ehlers 2020, S. 204), benötigen zukünftige AbsolventInnen ein vielfältiges Kompetenzprofil. Sie sollten nicht nur mit Veränderungen und Herausforderungen umgehen können, sondern auch das Spannungsfeld zwischen ökonomischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Anforderungen produktiv reflektieren können.
Diese „Mehrdimensionalität“ von Bildungsprozessen unterstreicht auch Ehlers (2020a, S. 3-4), indem er betont, wie wichtig es ist, dass AbsolventInnen ihre Lebensumstände selbstbestimmt gestalten und Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen können.
Die Diskussion um das Konzept der Future Skills zeigt, wie wichtig es ist, zukunftsorientierte Kompetenzen kritisch zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Während Kalz und Reinmann in ihrer Kritik wertvolle Impulse liefern, zeigt die aktuelle Forschung und Literatur, dass viele Kritikpunkte bereits aufgenommen und in neuere Ansätze integriert wurden. Die konzeptionelle Schärfung des Begriffs, die theoretische Fundierung und empirische Studien sowie praktischen Anwendungen tragen dazu bei, das Future-Skills-Konzept weiter zu präzisieren und für die Hochschullehre nutzbar zu machen.
Future Skills werden zunehmend als integratives Kompetenzprofil verstanden, das über rein berufliche Qualifikationen hinausgeht und die Persönlichkeitsentwicklung, gesellschaftliche Verantwortung und kritische Reflexionsfähigkeit betont. Fachwissen und überfachliche Kompetenzen werden als komplementär betrachtet und in verschiedenen Kompetenzmodellen miteinander verbunden, um den komplexen Anforderungen einer dynamischen Lebens- und Arbeitswelt gerecht zu werden.
Der Weg zur Umsetzung eines solchen Bildungsansatzes erfordert jedoch weiterhin eine stärkere theoretische und methodische Fundierung sowie eine praxisnahe Integration in die Hochschulbildung. Die zukünftige Forschung und Diskussionen sollten sich darauf konzentrieren, eine Balance zwischen Employability und humanistischer Bildung zu finden und innovative Prüfungs- und Lehrformate zu entwickeln, die den ganzheitlichen Bildungsgedanken von Future Skills stärken.
Letztlich liegt die Herausforderung darin, das Future-Skills-Konzept als dynamisches Bildungsmodell weiterzuentwickeln und die Debatte auf eine konstruktive und zukunftsorientierte Ebene zu heben, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird.
Leiter der Forschungsgruppe und Professur für Bildungsmanagement und Lebenslanges Lernen